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25. Januar 2009 7 25 /01 /Januar /2009 05:52
 

      Die goldisch Meenzer Fassenacht 

Sie hatte einen knallroten Hut auf und einen knallroten Schal an, einen grauen Mantel und ein strahlendes Lächeln im Gesicht. Jeder, der ihr begegnete, lächelte zurück und gleich den nächsten an, der ihm begegnete. Ich kenne sie nicht. Aber gestern beim Einkaufen in Mainz bin ich ihr mindestens fünf Mal über den Weg gelaufen. Diese Frau merkte gar nicht, wieviel gute Laune sie verbreitete. Schöne Begegnung.


Beim Friseur gestern blätterte ich eine Frauenzeitschrift durch und las eine Kolumne. Nie mehr ungeschminkt oder schlecht gekleidet auf die Straße gehen, denn garantiert begegnet einem genau dann jemand, bei dem das besonders peinlich ist.


Das ist wahr! Ich erinnere mich.


Damals war Sommer. Der Zug war brechend voll, und es war heiß wie in einer Sauna. Ich hatte den ungünstigen Sitzplatz voll in der Sonne. Mir lief der Schweiß und ich konnte nur blinzeln, weil ich geblendet war. Erbärmlich. So schlimm, dass der Mann mir gegenüber Mitleid bekam und mir anbot, die Plätze zu tauschen. Dankend nahm ich an. Und dann sah ich ihn! ... Wow, was für ein Kerl, was für ein Mann! (Und wie ich aussah,igitt.)


In der Hoffnung, ihn wieder zu treffen, fuhr ich nun tagelang um die gleiche Uhrzeit heim. Natürlich gab ich mir besondere Mühe, gut auszusehen. Umsonst. Erst, als es mir einmal kotzübel war, und ich aussah wie ausgespukt, traf ich ihn wieder in der Bahn. Er sprach mich gleich an.

Das Spielchen wiederholte sich mehrmals, wochenlang, wenn nicht sogar monatelang – immer wenn ich besonders dämlich aussah.


An diesem Tage hatte ich wie verrückt geschafft. Den spontanen Entschluss, meine kleine Wohnung zu renovieren, hatte ich sofort und ganz allein in die Tat umgesetzt. Mein knurrender Magen war nun der Grund, dass ich die gröbsten Farbflecken aus meinem Gesicht und den Händen wusch, mir was überzog und in den Metzgerimbiss um die Ecke ging.


Was denkste wohl, wem ich dort begegnete. Peinlich! Schon wieder, wo ich so bekloppt aussah!


Diesmal lief´s anders. Als ich ihm erzählte, dass ich gerade dabei bin, meine Wände streiche, sagte er sofort, dass er mir hilft. Er ließ sich nicht davon abbringen, gleich mitzukommen.

Und endlich kamen wir uns näher. Ganz nah.


Einen Tag später waren wir verabredet. Diesmal galt es: Ich hab mich toll aufgebrezelt. Er hat mich fast nicht wiedererkannt.


Das fiel mir gestern alles beim Friseur ein, als ich in der Zeitschrift blätterte. Und dann wurde ich auf das Gespräch aufmerksam, das die Kundin neben mir mit ihrer Haarkünstlerin führte. Ich zitiere die Erzählung der jungen Frau, so gut es geht:

Ich bin noch ganz verdattert, was mir vorhin passiert ist. Da geh ich ungeschminkt mit meinem Bappkopp (Übersetzung für Ortsfremde: fettige, ungepflegte Haare) durch die Augustinergass´. Grad hab´ ich nach Langem mal wieder an meinen Ex gedacht. Das waren schon drei Tage nicht mehr, was bei mir viel heißt. Ich kann bloß froh sein, dass aus uns nichts geworden ist, dachte ich. Wir haben überhaupt nicht zusammen gepasst. Noch nicht mal die Sternzeichen. Er ist Jungfrau, und ich bin Widder.

So gedankenverloren hab´ich gar nicht auf die Leute geachtet. Ich wäre bestimmt an ihm vorbei gelatscht, ohne ihn zu sehen, wenn ich nicht plötzlich das Gefühl gehabt hätte, angestarrt zu werden.

Er kam mir grade entgegen! Unsere Blicke trafen sich, und er guckte weg. Mir war, als ob ich in einem Film wäre und dabei zusehe. Ich hab auch keinen Ton rausgebracht. ´Der hat ja ganz schön viel Falten gekriegt´, dachte ich, und ´Der sieht trotzdem saustark aus. Und die Haare hat er auch wieder länger. Genau so wie damals, als wir uns kennen gelernt haben.´ Ihn einfach so in Mainz zu treffen, damit hätte ich niemals gerechnet. Er wohnt ja in Worms.

Wir gingen aneinander vorbei, als ob wir uns nicht kennen. Er wollte mich nicht ansehen. 

Dann fiel mir ein, wie ich aussehe. Ich habe mich richtig geschämt und kam mir klein, dick und hässlich vor. Katastrophal. So hab´ich mir unser Wiedersehen nicht vorgestellt.“

Wie seltsam, dachte ich, dass sie über genau das Thema spricht, das mich gerade beschäftigt hat. Wie sehr doch die Meinung über sich selbst vom solchen Äußerlichkeiten abhängt! Warum der Mann wohl weg geguckt hat? Mit Sicherheit nicht, weil sie so aussah, meine ich. Aber ich konnte gut verstehen, warum sie sich so beschissen fühlte.


Beschwingt, weil die neue Frisur klasse ist, verließ ich den Laden und begegnete zufällig dem Mann, der mir damals beim Renovieren geholfen hatte.

Der kennt mich nun schon viele Jahre, in allen Lebenslagen. Es ist Micha, mein Mann.


Gemeinsam bummelten wir durch Mainz. Der lächelnden Frau mit dem roten Hut begegneten wir auch wieder.

Strahlender Sonnenschein. Gute Laune. Am Schillerplatz spielte eine Guggemusiker-Fassenachtsgarde flotte Musik, ein paar junge Leute tanzten dazu. Richtig schön war´s.

 

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