Was war bisher geschehen? :
In Dubrovnik.
Für seine Taxi-Dienste wollte Mirko partout kein Geld annehmen. Wenigstens durfte ich ihn zum Essen einladen. Ach, wie schön, wieder mit Euro bezahlen zu können! Zwei Stunden vor meinem Abflug setzte er mich am Flughafen ab und verabschiedete sich. Erst viel später fiel mir auf, dass ich weder den Nachnamen noch die Adresse von ihm oder seiner Großmutter hatte.
Ich stand schon in der Schlange vor dem Zoll zum Einchecken für den Abflug. Da fiel mir siedend heiß das Maschinengewehr in meinem Gepäck ein. Damit konnte ich unmöglich durchkommen, es musste entsorgt werden. Ich rannte aus dem Flughafengebäude, sah mich suchend um und entdeckte in cirka 500 Metern Entfernung mehrere Müllkübel. Darin wollte ich die Waffe unbeobachtet versenken. Gerade hatte ich dort das Köfferchen geöffnet und das Ding in der Hand.
Die drei sahen bitterböse aus. Einer hatte einen großen Knüppel, ein anderer ein Messer, mit dem er mir vor der Nase herum fuchtelte. Der dritte, der kleinste, war unbewaffnet. Er aber führte sich am schlimmsten auf. Bedrohlich kamen sie auf mich zu. Sie schrien mich an, aber ihre Sprache verstand ich natürlich nicht.
Plötzlich stach der Mann mit dem Messer zu. Refexartig schützte ich mich, indem ich meinen Arm hob. Er traf mich am rechten Oberarm. Das scharfe Jagdmesser blieb kurz stecken, dann zog er es heraus. Es blutete und tat sofort höllisch weh. Ohne Nachdenken riss ich die MP hoch und feuerte ab. Da war doch noch Munition drin.
Ja, das ging ganz einfach, noch einfacher als in den Fernsehkrimis. Das Geräusch dröhnt mir jetzt noch in den Ohren. Diesmal warf mich der Rückstoß auch nicht um.
Zum Glück habe ich keinen erschossen. Aber die hättet Ihr mal sehen sollen, wie die Hasen sind die gerannt! Den einen mit dem Knüppel habe ich vielleicht in den Fuß getroffen. Er konnte nur schnell weghumpeln.
Es ist bestimmt verständlich, dass ich mich nach diesem Erlebnis nicht mehr von der Waffe, die mich gerettet hat, trennen wollte. Sie war für mich das einzige Sichere in dieser unsicheren Gegend. Ich packte sie wieder ein. Somit war das Thema „fliegen“ aber gestrichen. Zuerst suchte ich das Rote Kreuz im Flughafen auf, wo man meine stark blutende Wunde am Arm verband. Ich konnte nicht anders, als dabei hemmungslos zu weinen. Gut, dass hier wieder Verständigungs-
schwierigkeiten bestanden. Ich tat so, als ob ich kein Englisch kann. Wüsste nicht, was ich denen hätte erzählen sollen. So machte ich mich nach der Verarztung schnellstens aus dem Staub, bevor sie einen Dolmetscher und die Polizei geholt hatten.
Ich nahm ein Taxi zum Dubrovniker Hauptbahnhof und suchte den nächsten Zug heraus, der in einer Stadt in Mitteleuropa liegt. Das war Wien und es hieß „Beeilung!“. Schnell eine Fahrkarte gekauft und rein in die Bahn. Ich kuschelte mich in eine Ecke des Sechserabteils und schlief fast die ganze Fahrtzeit bis Wien. Wenn ich aufwachte, waren jedesmal andere Mitreisende da. Wie lange die Fahrt bis Wien dauerte, weiss ich nicht. Es war mir egal.
In Wien hatte ich zwei oder drei Stunden Aufenthalt, bis ein ICE nach Frankfurt fuhr. Die meiste Zeit verbrachte ich auf der Bahnhofstoilette... Die Leute im Bahnhof guckten mich komisch an. Erst dachte ich, es liegt an dem Kopftuch, das mich als Türkin kenntlich machte. Aber es lag eher an dem heruntergerissenen Ärmel, wo man unter dem kaputten Loch den dicken Verband um meinen Arm sah. Also kaufte ich in einer Boutique eine schöne Jacke und freute mich über den günstigen Preis.
Für die Fahrt nach Hause deckte ich mich mit Lektüre ein. Am Zeitungsdatum konnte ich lesen, dass ich schon eine Woche von zu Hause weg war. Wo war die Zeit geblieben? Endlich fand ich auch eine Telefonzelle. Es gibt ja nicht mehr viele. Leider hatte jemand den Apparat kaputt gemacht. Zu blöd, dachte ich, weil ich wieder nicht anrufen konnte. Ob die mich daheim vermissen? Bei dem Gedanken an daheim verdrückte ich ein paar Tränchen. Jetzt aber musste ich mich sputen, um den Zug zu erreichen.
Endlich in Frankfurt! Und gleich in die nächste S-Bahn nach Wiesbaden. Das letzte Stück mit dem Taxi. Völlig kaputt kam ich um die Mittagszeit an. Es war niemand daheim, nur die Katzen kamen freudig auf mich zu. Als ich mich bückte, um unseren Kater Otto zu streicheln, drehte sich plötzlich alles. Ich schaffte es grad noch bis zum Bett und ließ mich hinein fallen. Sofort schlief ich ein.
So bin ich also wieder beim Anfang meiner Erzählung.
Inzwischen sind fast vier Monate vergangen.
Was in der Zwischenzeit bis heute passiert ist,
erzähle ich der nächsten Fortsetzung.